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  Sächsische Zeitung (SPORT SPEZIAL) vom 07.12.2001

Zankapfel Grenzweg
Strafbescheid nach Protest-Wanderung / Deutliche Bitte der tschechischen Seite

Von Jochen Mayer

Der Streit um die Wanderwege in der Sächsischen Schweiz zog sich hin. Zweieinhalb Jahre stritten Bergsportverbände, sächsisches Umweltministerium, Nationalpark-Verwaltung, Tourismus- und Forst-Behörden um einen Kompromiss. Die ausgehandelte Wegekonzeption stand inzwischen im sächsischen Amtsblatt. Als Prinzip ist festgeschrieben: In der Nationalpark-Kernzone sind nur markierte Wanderwege freigegeben. DAS PROBLEM

Der Grenzweg gehört nicht dazu. Im April widersprachen Wanderer und Bergsteiger einer Pressemitteilung der Nationalpark-Verwaltung. Im Mitteilungsblatt des Sächsischen Bergsteiger-Bundes (SBB) erklärten sie, "dass zur Sperrung des Grenzweges am Großen Winterberg in der gemeinsamen Arbeitsgruppe leider kein Konsens erreicht wurde". Durchgesickert war, dass es zu diesem Thema fast diplomatische Verwicklungen mit den tschechischen Nachbarn gab. Die haben großes Interesse daran, ihren böhmischen Nationalpark ebenfalls mit einem Regelwerk zu ordnen.

DER UNMUT

Lothar Hempel kennt den Grenzweg ewig. "1960 bin ich ihn erstmals gegangen", erinnert sich der Dresdner. "Die Grenzposten drückten ein Auge zu. Seit 1961 war der Weg offen. Er sollte es auch bleiben - allein wegen der tollen Aussicht. Ich sehe keine naturschutzfachlichen Gründe für eine Sperrung." DIE AKTION

Lothar Hempel weiß, wie sich "verschlossene Wege" öffnen können. Über die von einer Sperrung bedrohte Häntzschelstiege wurde 1999 gesprochen, als er mit einem Biwak-Fernseh-Team den Klettersteig meisterte. Den Bildern folgte Bewegung um die Stiege, die heute offen ist. Ähnliches wollte Lothar Hempel am Grenzweg erreichen. "Ich meldete im vergangenen November eine Wanderung auf gefährdeten Pfaden an", schilderte der Wander-Leiter seine Vorbereitungen. Am 12. Juli traf sich Lothar Hempel mit 47 Mitstreitern und ging den Grenzweg als "Protest-Wanderung".

DIE STRAFE

"Bei unserem Aufstieg wurden wir in der Kernzone von einem Jeep begleitet", beschreibt Lothar Hempel den Protest-Tag. "Am Ende nahmen Nationalpark-Ranger meine Personalien auf. Wir sind uns dabei nicht in die Wolle gekommen." Im August bekam der Wanderleiter vom Regierungspräsidium einen "Anhörungsbogen" wegen "Verlassen der ausgewiesenen Wege in der Kernzone des Nationalparks". Lothar Hempel erläuterte seine Position. Im November erhielt er einen Bußgeldbescheid über 286,00 Mark (146,23 Euro). Falls er nicht zahlt, droht Erzwingungshaft.

DIE FRAGEN

Lothar Hempel legte dagegen Einspruch ein. Seine Argumente: "Gewaltfreier Protest muss doch möglich sein. Oder sollen, wie bereits vor 1989 geschehen, die Kritiker mundtot gemacht werden? Ich hörte von verschiedenen Seiten: Steh das jetzt durch. Das soll wohl ein Präzedenzfall werden?" Und er fragt sich: Wieso trifft es ihn allein, es war ja eine große Gruppe unterwegs? Sollten staatliche Organe so vorgehen wie am Grenzweg?

DIE VERWALTUNG

Jürgen Stein sieht kein Exempel in diesem Fall. Für ihn gehört der Grenzweg nicht zu den offenen Wegen, das Amtsblatt hatte das vorläufig endgültig letzte Wort, ein bindendes für alle. "Rund 95 Prozent der Wanderer halten sich daran, mit dem Rest müssen wir diskutieren", sagt der Chef der Nationalpark-Verwaltung Sächsische Schweiz. "Zeigt sich jemand nicht einsichtig - das ist die Ausnahme -, leiten wir es weiter." So landete die "Protest-Wanderung" beim Regierungs-Präsidium und befindet sich nun in der Phase eines schwebenden Verfahrens. Die Wanderwege-Konzeption bestätigte grundsätzlich das Umwelt-Ministerium.


DAS MINISTERIUM

"Der Grenzweg ist gegenwärtig nicht verhandelbar", stellt Hans-Jörg Vorberger klar. Der Referatsleiter Schutzgebiete in Sachsens Umwelt-Ministerium versteht die Wünsche der Wanderer und will "kein Porzellan zerschlagen". Andererseits sieht er die Zwänge: "Die tschechische Seite hat uns deutlich gebeten, für eine Beruhigung im Bereich des Grenzweges zu sorgen. Vielleicht lässt sich in einigen Jahren neu darüber reden." Im Moment muss allerdings jeder mit Strafen rechnen, der in der Kernzone nicht ausgewiesene Wege wandert.
 

 

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