Albert Kunze
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Albert Kunze
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Essen-Kunze, der Mann mit dem Überfall.
Sein berühmtester Weg ist der Überfall an der Esse (V), später allgemein als der Übergang zur freien Wandkletterei anerkannt. Von den paar Metern des Querganges schreibt Fehrmann später:
Mit dieser Tour wird eine ganz neue Richtung eingeschlagen: die schwere Wandkletterei;...
Schwere Wandkletterei im eigentlichen Sinne sind an ihr nur wenige Meter; das Bedeutsame am Erfolg Kunzes ist die Überwindung der Scheu, mit der man bisher allen ungewöhnlichen, exponierten und gefährlichen Kletterstellen aus dem Weg ging.
[12]

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Im einem Artikel in [11] schildert er, wie er zur Kletterei kam (leicht gekürzt):

PLAUDEREIEN AUS DER ERSCHLIESSERZEIT 1900-1905
Albert Kunze

Als junger Mensch wurde ich Turner. Im Turnverein vereinigten sich fröhliche Mensche, denn "Bewegung ist Leben" war die Parole. Sonntags wanderten wir in der Umgebung Dresdens oder in unseren Heimatbergen.
An einem Herbsttag 1899 fuhren wir nach Rathen. Während der Überfahrt über die Elbe erklärte der Bootsmann die verschiedenen Felsen. Besonders die Wetterfahne auf dem Mönch erregte unser Interesse. Als er uns erzählte, daß Bergsteiger diese Fahne hinaufgeschafft hätten, waren wir ..baff". Wie war es nur möglich. daß Menschen diese steilen Wände erkletterten! Eines war klar: zum Klettern hat uns die Erzählung nicht angeregt. Wir sahen uns im Geiste schon mit zerschlagenen Knochen unten liegen. Im Sommer 1900 unternahm ich meine erste Alpenfahrt; ...
Nach der Alpenfahrt wurden die Heimatberge öfter aufgesucht; besonders die Schrammsteine erregten unser Interesse. Ich erfuhr, daß ein älterer Turner unseres Vereins, Lehrer Bernhard Milde, bereits den Falkenstein bestiegen hatte. Das mußten wir auch versuchen. Mit einem Kameraden umkreiste ich den Falkenstein; wir entdeckten dabei eine kleine Leiter, über die man in einen engen Kamin einsteigen konnte. Also war hier ein Aufstieg, und mit meinem Freund Adolf Straube beschloß ich, den Falkenstein zu besteigen.
Am ersten Sonntag im Oktober 1900 trabten wir durch Postelwitz dem Falkenstein zu. Im Rucksack hatte ich eine Wäscheleine und eine alte Hose untergebracht. Am Falkenstein wurde nur kurze Frühstücksrast gehalten, und bald begann der Kampf. Es war mein erster Kamin, den ich erkletterte; die Anstrengungen waren fürchterlich. Ich befürchtete fast einen Herzschlag. Nach diesem Kamin war der Weiterweg klar gegeben. Der dreiteilige Kamin mußte erreicht und erklettert werden. Es gelang trotz unserer mangelhaften Ausrüstung, denn wir kletterten mit Lederschuhen. Kletterschuhe mit Bastsohlen waren uns unbekannt. Auf dem Westgipfel des Falkensteins ertönet kein Siegesgeheul. Wir waren sehr still, denn uns graute vor dem Abstieg. Die Kunst des Abseilens kannten wir nicht. Als ich den Abstieg meines Freundes durch den dreiteiligen Kamin gesichert hatte und ohne Sicherung mit den glatten Ledersohlen absteigen mußte, packte mich doch etwas die Furcht. Ich fragte, wie der Abstieg gewesen sei; mein Freund antwortete: "Ziemlich schwer." Als ich in den dreiteiligen Kamin einstieg, war mir klar, daß Ruhe und nochmals Ruhe die Hauptsache sei. Ich rief meinem Freund zu, der sehr blaß aussah, daß mir nicht viel passieren könne, höchstens ein Beinbruch. Der Abstieg begann und glückte, und bald standen wir wieder bei unseren Rucksäcken. Wir waren froh und dankbar, daß uns der Fels nicht abgeschüttelt hatte. Bei Friebel in Postelwitz schmeckte an diesem Tag das Glas Zuckerbier besonders gut.
Im Turnverein erzählte ich - mit einem berechtigten inneren Stolz - von unserer Falkensteinbesteigung. Und die Antwort: Lautes Gelächter Ein Turnbruder sagte, wir wären gewiß auf dem Lilienstein, aber niemals auf dem Falkenstein gewesen. Er hatte die Lacher auf seiner Seite. Ich ging zu dem Falkensteinbesteiger Bernhard Milde und erzählte ihm unsere Tour. Er sagte, daß wir den Turnerweg durchstiegen hätten, und bat uns, bei künftigen Klettertouren sehr vorsichtig zu sein.
Nun begann die schöne Zeit des Kletterns, besonders im Rathener und Schrammsteingebiet. Jeder Fels war für uns Neuland; es gab keine Skizzen über die Lage der Felsen, keine Beschreibungen der Kletterwege und der Zugänge. Wir mußten suchen und abermals suchen. Unsere Ausrüstung war besser geworden: kurze Manchesterhose, Kletterjacke und Kletterschuhe mit Bastsohlen, die man in jedem Schuhladen als Dachdeckerschuhe für 70 Pfennig bis eine Mark kaufte.
Mit der kurzen Hose - keine kniefreie - hatte ich einige Erlebnisse. Sonntags früh ½ 5 Uhr war Treffen im Hauptbahnhof. Auf dem Wege zum Bahnhof bin ich mehrfach von Leuten, die aus dem Wirtshaus kamen und schlafen gingen, angeulkt worden und hörte oft: ,,Seht mal den großen Kerl mit der kurzen Hose" Dieses Erlebnis erzählte ich später Hugo Kurze, dem Gründer der Sektion Dresden des Österreichischen Touristenklubs. Er sagte, daß auch er wegen der kurzen Hose oft ausgelacht worden sei. Er und seine Freunde wären daher in langer Hose zum Bahnhof gegangen und hätten die kurze Hose erst in den Bergen angezogen. Und heute? - Die Zeiten ändern sich und wir mit ihnen!

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